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Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Martin Schwarz

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

geschätzte Ratskollegen, liebe Velberter,

mal eben 19 Last-Minute Änderungen der Kämmerei, nach dem wir in der Fraktion über den Haushalt schon beraten hatten, hinterlassen bei uns nicht gerade ein gutes Gefühl.

Das Zahlen schnell korrigiert werden, ist grundsätzlich als positiv anzusehen, doch gleichzeitig sinkt unser Vertrauen in die Planung der Verwaltung. Schließlich musste der letzte Haushaltsplan ja auch nachträglich auf Anweisung der Bezirksregierung korrigiert werden.

Ein unerwartete Verbesserung um rund 1,5 Mio. € sagt die Veränderungsliste voraus.

Unverhofft kommt oft, heißt es so schön und die Hoffnung stirbt zuletzt. Hoffen wir mal das Beste das die Gewerbesteuerschätzung diesmal stimmt.

Da der Kämmerer aber die Gewerbesteuereinnahmen als unberechenbar und kaum einschätzbar bezeichnet, sind wir da eher skeptisch. Wunsch und Wirklichkeit unterscheiden sich nun mal. Hat er uns doch darauf hingewiesen, dass die Einnahmen durch die Gewerbesteuer trotz guter Konjunktur nicht so angewachsen sind, wie das in den letzten Jahren geplant war.

Der Haushaltssicherungsplan jedenfalls wirkt. Wir stehen besser da als in den letzten Jahren. Doch unser strukturelles Defizit existiert auch weiterhin. Viele Millionen verschwinden in der Holding. EVV, KVV und KVBV belasten den Haushalt seit Jahren. Verlustausgleich wird als Erwerb von Finanzanlagen kaschiert. Wir sind nicht die Ersten, die daran zweifeln, dass es sich dabei wirklich um einen Erwerb von Finanzanlagen handelt. Die Buchungspraxis wurde seitens der Bezirksregierung in der Vergangenheit nur geduldet! Eine Konsequenz der Abweichung von der üblichen Buchungspraxis war unter anderem mit Schuld, für die späte Genehmigung der Haushalte in den letzten Jahren.

Viel Fantasie und Kreativität hat die Verwaltung, wenn es darum geht, den Bürger zur Kasse zu bitten, um den Haushalt aufzubessern. So wurde 2018 mit einem großen bürokratischen Aufwand eine neue Gewässerunterhaltungsgebühr eingeführt. Im Jahr 2019 soll die Anzahl der Bescheide um weitere 3500 auf einen abschließenden Stand von 19000 ansteigen.

Wir zweifeln daran, dass die Erstaufnahme mängelfrei abgelaufen ist und rechnen mit der Entstehung weiterer hoher Kosten im Rahmen der Gebührenverwaltung.

Der Wille zum Sparen dagegen fehlt immer noch. Ein weiterer Spatenstich zur Steuerverschwendung erfolgte gerade erst: So werden nun etliche Millionen für den Neubau eines Museums ausgegeben, das kaum Besucher anzieht. Dass auch die Kämmerei nach dem Neubau nicht mit steigenden Besucherzahlen rechnet, kann jeder an den Benutzungsgebühren und Erträgen ablesen.

Bei dem aktuell zur Verfügung stehenden Personal könnten sich die Besucher statistisch gesehen, jedoch über eine 1 zu 1 Betreuung freuen. Wenn ich dann im Gegensatz dazu über die stundenlangen Diskussionen über Öffnungszeiten und Mitarbeiterzahlen von Bürgerbüros in Neviges und Langenberg nachdenke, weiß ich nicht mehr wirklich, was ich dazu noch sagen soll…

Laut Haushaltsplan erwirtschaftet das Museum nach dem Neubau ein höheres Minus, 50.000mehr im Vergleich zu heute. Mit mehr als 300.000 pro Jahr wird der Velberter Haushalt dadurch belastet!

Zusätzlich steigen die Kosten für Personalaufwendungen um weitere 10%!

Der Neubau war eine HSP-Maßnahme. Ein schlechter Witz, wie ich finde!

Die Nutzungsrechte für die Parkplätze, die bei dem Betreiber des Marktzentrums gekauft werden mussten und die notwendigen Lagerräume im Forum sind da noch nicht mit eingerechnet.

Wer die Erträge den Aufwendungen gegen überstellt, dem wird schnell klar werden, dass es sich dabei um ein Luxusprestigeobjekt handelt.

Überschwemmungen, schlechte Straßen, herumliegender Müll, Ratten und wild wucherndes Grün wo es keiner haben will; darüber erreichen uns immer wieder Beschwerden – zu Recht!

Zu wenig Geld wird in die Sanierung der Straßen, Radwege, Kanäle und der Pflege der Grünflächen investiert.

Die Ursache dafür ist einfach. Die TBV ist chronisch unterfinanziert. Dies ist einer der Gründe, warum wir dem Kooperationsvertrag mit der TBV nicht zugestimmt haben.

Unsere Infrastruktur wird kaputt gespart. Zu wenig wird repariert. Irgendwann sind die Straßen dann so kaputt, das ein Totalneubau fällig ist. Dieser erfolgt dann unter Kostenbeteiligung der Anlieger. Die Höhe dieser Kostenbeteiligung allerdings wurde rein willkürlich festgelegt!

Während die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) vorschlägt, dass Velbert die Straßenbaubeiträge nach dem Kommunalenabgabegesetz auf die Höhe der Mustersatzung anheben soll, fordert der Bund der Steuerzahler die Abschaffung der Straßenbaubeiträge.

Die Beitragsbelastungen für die betroffenen Grundstückseigentümer können im Einzelfall sehr hoch bis unbezahlbar sein.

Doch um wie viel Geld geht es da eigentlich?

Die zu erwartenden Beitragseinnahmen auf Grundlage der aktuellen Satzung für begonnene und bis 2019 geplante KAG-Maßnahmen liegen laut GPA bei 1,7 Mio. Euro.

Würde die Stadt Velbert den Forderungen der Gemeindeprüfungsanstalt nachkommen und den maximalen Beitrag nach der Mustersatzung erheben, dann wären es angeblich 2,8 Mio. Euro.

Der Rat hat im November 2016 beschlossen, den Forderungen der Gemeindeprüfungsanstalt zum Teil nachzukommen. Es wurde die HSP-Maßnahme “Optimierung der KAG-Beiträge als Konsolidierungsmaßnahme in die Fortschreibung des Haushaltssicherungsplans mit einem Konsolidierungsvolumen von 30.000 Euro ab 2018 aufgenommen.“

Wir wollen diesen Beschluss nicht weiter mittragen!

Aber kann sich die Stadt Velbert in der jetzigen Haushaltssituation eine ersatzlose Streichung der Straßenbaubeiträge leisten?

Gute Straßen kosten nun einmal gutes Geld und davon haben wir leider ständig zu wenig. Allein aus dem Haushalt der Stadt ist die Instandsetzung der heruntergewirtschafteten, maroden Straßen aktuell nicht finanzierbar. Dafür ist einfach zu viel kaputt. Auch mit den Straßenbaubeiträgen reichen die finanziellen Mittel für eine Totalsanierung seit Jahren nicht. Deswegen halten wir eine Reform des Kommunalabgabengesetz NRW (KAG) unter Beibehaltung der kommunalen Selbstverwaltung für dringend notwendig.

Wir sehen den Landtag in der Pflicht, so schnell wie möglich eine gute Lösung zu finden, so, wie das bereits in anderen Bundesländern geschehen ist.

Wer diesem Haushalt zustimmt, aber gleichzeitig die Abschaffung der Straßenbaubeiträge fordert und auch noch dafür Unterschriften sammelt, sollte einmal darüber nachdenken, dass er gegen seinen eigenen Beschluss Unterschriften sammelt.

Die Mitarbeiter der Verwaltung haben in den letzten Jahren jede Menge Überstunden gemacht. Ursache hierfür ist eine uns völlig unverständliche Personalpolitik. Die Feuerwehr ist davon besonders betroffen. Eine Ausbildungsoffensive und Stellenausschreibungen sollen nun endlich Abhilfe schaffen.

Na ja, besser spät als nie. Aber das ist ja nicht das Einzige, was nicht so läuft, wie es soll. Der Brandschutzbedarfsplan kann aktuell nicht in allen Fällen eingehalten werden und festgestellte Mängel bei der Nachkalkulation der Rettungsdienstgebühren wurden immer noch nicht beseitigt.

Unverständlich ist uns auch die Personalabordnung an den Verein „Die Schlüsselregion“ – eine teure E14 Stelle. Über Jahre hinweg sponsert die Stadt schon den Verein auf Kosten des Steuerzahlers mit Zuschüssen. Ich frage mich ernsthaft, können sich die über 200 Unternehmen des Vereines keinen eigenen Geschäftsführer leisten? Muss das wirklich sein, dass der Steuerzahler weiterhin für diese unnötige Subvention aufkommt?

Subventioniert werden Unternehmen in Velbert auch, wenn sie Gewerbefläche kaufen wollen.

So wird Gewerbefläche wesentlich günstiger abgegeben, als Grundstücke für den Wohnungsbau. Gewerbefläche wird quasi verramscht.

Als Bonus packt die Wirtschaftsförderung auch noch die Erschließung oben drauf.

Ein Beispiel ist die Hertie-Immobilie: zuerst wurde sie mit Steuergeldern gekauft, dann soll sie mit Steuergeldern abgerissen werden, um im Anschluss an einen Investor billig verkauft zu werden.

Warum entwickeln wir dieses Areal nicht selbst und übertragen es, zur weiteren Stärkung des Eigenkapitals, an die städtische Wobau?

5,7 Millionen € möchte die Verwaltung im nächsten Jahr für den Erwerb von Grundstücken zur Stadtentwicklung ausgeben, keine geringe Summe.

Ich habe meine Zweifel daran, ob das für Velbert einen Mehrwert schafft.

Dieses Geld sollte besser für dringend notwendige Sanierung an städtischen Gebäuden ausgegeben werden.

Eine gesunde Umwelt wird in der Zukunft ein ebenso wichtiger Faktor für einen Wirtschaftsstandort sein, wie gute Verkehrsanbindung und schnelles Internet.

Denn die Ressourcen der Erde sind endlich. Wer den Anschein erweckt, als wäre das anders, verschließt die Augen und zerstört unsere Zukunft. Das gilt auch für Fläche für Wohnraum und Gewerbe auf kommunaler Ebene.

Nicht durchdachte Grundstücksankäufe und Bebauungspläne haben schon in der Vergangenheit zu hohen Verlusten geführt. Viele Grundstücksspekulationen der Wirtschaftsförderung waren ein Minusgeschäft wie z.B. an der Wilhelmshöhe. Auch in diesem Haushalt müssen wir deswegen wieder der städtischen Tochter EVV Geld überweisen, um diese Fehler auszugleichen.

Bei schwer zu erschließenden Gebieten kommen für den Velberter Einwohner auch noch versteckte Zusatzkosten in Form von Gebührenerhöhungen durch die TBV hinzu.

Wenn keine geeigneten, einfach zu bebauenden Flächen mehr da sind, dann sind eben keine geeigneten Flächen mehr da und eine verantwortungsvolle Politik muss angesichts dieser Tatsachen andere Lösungen finden. Sie darf nicht einfach damit beginnen, Landwirten die Lebensgrundlage zu entziehen und bisher besonders geschützte Bereiche zu zerstören!

Wenn das so weiter geht, gibt es in 80 Jahren keine Landwirtschaft mehr im Kreis.“ beklagen sich die Landwirte. Zurecht, denn auch die Landwirte zahlen Gewerbesteuer und sie sorgen dafür, dass wir immer noch die Wahl haben zwischen Huhn und Chlorhuhn.

Es gibt Alternativen zum Flächenfraß, wie die vorrangige Nutzung von Brachflächen und kreative Lösungen, wie die Nutzung in die Höhe statt in die Breite, also eine bessere Ausnutzung vorhandener Flächen.

Es wird uns zu kurzfristig gedacht.

Die Frage, inwieweit wir in 20 oder 30 Jahren diese Gewerbeflächen in der heute prognostizierten Größe überhaupt noch benötigen, findet in dieser Diskussion nicht statt.

Eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit, um reichlich vorhandenen Industriebrachen zum Wohle aller Menschen zu entwickeln, wäre außerdem wünschenswert.

Den Ausstieg aus dem Verein „Zinnober“ und die Einstellung der Förderung dieser Beratungsstelle halten wir für einen großen Fehler. Die Stadt ist derzeit nicht in der Lage, die Arbeit, die dieser Verein leistet, auf diesem hohen Niveau weiterzuführen. Das beweist ein Gutachten im Auftrag der GPA. Es kommt hinzu, dass viele Betroffene lieber die Beratungsstelle eines freien Trägers aufsuchen, als eine städtische Einrichtung wie die Erziehungsberatungsstelle. Dem Verein die Gelder zu entziehen und gleichzeitig den Mitarbeitern ein Arbeitsangebot zu machen, gleicht einer feindlichen Übernahme.

Die Eckpunkte dieses Haushaltes bergen zugleich Risiken.

So wurden die Einsparungen durch Personalreduzierungen in der Vergangenheit immer wieder durch Tariferhöhungen aufgefressen. Viele Aufgaben der Verwaltung können nicht mehr vernünftig erledigt werden. Das Wachstum endlich ist, dies sieht jeder daran, dass der Kämmerer die Gewerbesteuerschätzungen der Vergangenheit nach unten korrigiert hat.bert anders

Einmal-Effekte haben ein Haushaltsplus bewirkt.

Solange die Holding nicht verantwortungsbewusst und wirtschaftlich arbeitet, wird der Haushalt immer gefährdet sein.

Deswegen lehnen wir den Haushaltsentwurf ab!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit piratigen Grüßen

Martin Schwarz